Romy Schneider
Sie war in ihren Dreißigern, auf dem Zenit ihrer Schönheit und ihrer Karriere. Er jung und ungebunden, hatte diese Leichtigkeit des Seins, welche ihn so unwiderstehlich machte.
Von Daniel Biasini
Alle Fragen über ihre Mutter, hat unsere Tochter Sarah bereits gestellt. Wir suchten alle Erinnerungen bis auf den letzten Fetzen, doch manchmal kommt mir doch noch eine kleine Geschichte oder ein kleines Detail in den Sinn. Ich machte eine Zeitreise. Hin zu dem jungen Mann, der ich war, als ich Sarahs Mutter das erste Mal traf. Romy. Es war 1972, als ich gerade aus den Vereinigten Staaten von Amerika-wo ich als Student war, zurückkehrte. Ich kam wieder um ein bisschen zu arbeiten und hatte in meiner Tasche das Rückflugticket, sowie in meinem Kopf nur einen Willen: so schnell wie möglich wieder in die Staaten zurückkehren. In Paris habe ich dann einen Job bei dem Produzenten Raymond Danon gefunden. Für die Dauer von sechs Monaten machte ich Regie, ein bisschen Buchhaltung in der Verwaltung. Zu diesem Zeitpunkt drehten sie gerade einen Film mit Delon und einen mit Belmondo. Aber mich haben eher die Fahrer der Formel 1 interessiert, anstatt die Filmstars. Im Oktober kam Ralph Baum, der Direktor der Berliner Produktion auf mich zu und sagte zu mir: „Daniel, du musst mir einen Gefallen tun…ein großer Star kommt mit ihrem Sohn hier nach Paris und sie hat sehr viel zu tun….sie braucht unbedingt jemanden vor Ort.“ Am Anfang haben sie mir nicht ihren Namen gesagt. Tatsächlich ist Romy damals nach Frankreich umgezogen. Sie kam mit ihrem Kindermädchen und ihrem Sohn, welche zu diesem Zeitpunkt nur Deutsch sprachen, an. Sie brauchten jemanden, der vor Ort war während Romy nach Rom reiste, um mit Visconti Ludwig zu drehen. Sie sollte auch Werbung machen für den Film „César und Rosalie“.
Romy hatte ein kleines Appartement in Neuilly, einem Vorort von Paris gemietet. Wir haben uns um 18.00 Uhr abends getroffen. Ich klingelte. Sie öffnete die Tür. Sie trug einen roten Kaftan und (Seite 62 geht es weiter) und ein Band im Haar. Ich erinnere mich an das Leuchten und ihr beeindruckendes Lächeln und an ihre grünen Augen. Ich kann Ihnen sagen, dass ich sofort eine gewisse Intuition hatte, dass diese Frau mein ganzes Leben verändern würde. Nichts war mehr wie zuvor. Ich sagte ihr sofort, dass ich keine zwei Monate bleiben könnte: Im Dezember rechnete ich mit meiner Rückkehr nach New York. So hat alles angefangen. Es musste eine Schule für David gefunden werden und ein Appartement, in das Romy endgültig umziehen konnte. Romy war zu dieser Zeit mehr bohème, als sie es sich vermutlich vorstellen können, viel lustiger und auch sehr „einfach/easy“; sie war weder anstrengend, noch kompliziert. Sie managte zu dieser Zeit ihr äußerst kompliziertes Leben: Scheidung von Harry Meyen, ein Wechsel des Lebensortes, eine Adresse und eine Heimat für das Leben mit David..
Ich selbst mittendrin. Und bis zu diesem Zeitpunkt war absolut nichts zwischen uns gewesen. Schließlich wollte ich an Weihnachten zurückehren. Romy sagte zu mir: „Ich bitte dich, bleib nur noch so lange, bis ich den Umzug in die Rue Bonaparte in Saint-Germain-des-Près über die Bühne gebracht habe! Mach dir keine Sorgen, ich zahle dir natürlich ein Ticket erster Klasse für den Rückflug nach New York…“
Ich bin also geblieben. Und dann wurde ich sehr schnell ihr Sekretär und das Leben mit ihr als Arbeitgeber war sehr angenehm. Auch Romys Friseur und Makeup-Artist gehörten zu diesem engen Kreis, es war ein Haufen an Leuten, mit denen ich sehr viel gelacht habe…Und darüber hinaus war ich akzeptiert. Ich kümmerte mich um ihre privaten Angelegenheiten und alles was mit der Schauspielerei zu tun hatte. Nach eineinhalb Jahren verbrachten wir so Seite an Seite. Ehe es eine Liebschaft war, hatten wir ein sehr starkes Vertrauen zueinander entwickelt. Es war totalitär und absolut. Das worum ich mich kümmerte, wurde selbst zu meinem Liebsten: Ihr Sohn und ihr Leben: David.
Sie wollte zu diesem Zeitpunkt immer noch umziehen. In der Rue Berlioz, im sechzehnten Arrondissement fanden wir schließlich unser Refugium.
Sie und ich rückten durch das tägliche Zusammensein und durch das Vertrauen, den Humor und die Zärtlichkeit immer näher
Um zehn Uhr morgens bin ich bei ihr angekommen und kehrte nie mehr zurück. Ohne es überhaupt tatsächlich zu realisieren, wurde das alles sehr wichtig und bedeutsam für mich. Wir trafen uns immer öfter, um gemeinsam zu Abend zu essen. Ich bin von Natur aus nicht oberflächlich aber ich liebte dieses Leben mit Romy, diese Leichtigkeit des Seins genossen wir sehr. Wir rückten, sie und ich, im Alltag mit Zärtlichkeit, Liebe und Leidenschaft zusammen. Manchmal auch mit unendlicher Güte, wie während der Aufnahmen zu „ L’important c’est d’aimer“, von Andrzej Zulawski. Ein schrecklicher Moment. Es war durch und durch extrem. Romy ist zwei Mal zusammengebrochen. Sie gab und gab ununterbrochen, bis sie schließlich zusammengebrochen ist. Sie konnte einfach nicht mehr. Völlig erschöpft und ausgebrannt und ohne sich eine Pause zu gönnen. Es musste sich etwas ändern. Niemand um uns herum, der uns permanent Fragen stellte. Ich sprach gleich „mit der ganzen Welt“, Jean-Louis Levi, Claude Sautet….
Ich war Teil des engen Kreises, soviel war klar. Zwei oder drei Mal trafen wir uns mit beiden um zu trinken und uns „zu fragen, in welchem Hotel wir dieses Mal übernachten werden“. Aber das ist eine Anekdote. Wir lachten darüber! Jedoch eine Sache, die so langsam aus dem Ruder lief.
Bei irgendwelchen Dreharbeiten, war ich für andere jedoch nur eine zufällige Affäre. Romy, die sehr treu und vereinnahmend war, akzeptierte dies nicht. sie verstand mich. Eines Tages, als ich mit Freunden in das Restaurant L’Orangerie auf der L’ile Saint-Louis ging, aß Romy dort auch, ohne dass ich es wusste. Doch ich fühlte, dass ihr das nicht passte. Ich hingegen fand es normal mit anderen auszugehen. Es gab keine Eifersucht. Alles lief normal, es war so natürlich. Nach eineinhalb Jahren dachte ich mehr und mehr an die Vereinigten Staaten. Ich muss dazu sagen, dass ich schon lange zu der Sorte von Menschen gehörte, die von Tag zu Tag lebten, nicht dazu fähig ein Projekt das in der Zukunft liegt, zu planen. Morgen? Ok.. Übermorgen? Das war mir total egal. Ich hatte den starken Wunsch, dass dies auch in Bezug auf die Jugendlichkeit immer so weiter gehen sollte. Und ein bohèmes Leben war genau das, was Romy führte, es ergänzte sich perfekt. Dann kam dieser Sommer in Saint-Tropez. Romy bat mich, den Besitzer von L’Escale anzurufen, um zu fragen, ob sie das kleine, schöne Haus, auf dem Berg gelegen, mieten könnte. Ein Urlaub allein, David war zu dieser Zeit mit seinem Onkel in Griechenland und seine Cousins, die im gleichen Alter waren, ebenfalls. Saint-Tropez kannte ich gut, denn ich war häufig dort und meine Eltern hatten ein Boot dort liegen. Ich entschied, ebenfalls meine Ferien dort zu verbringen. Eines Abends, sind wir gemeinsam ins L’Escale gegangen. Startschuss eines unvergesslichen Erlebnisses. Mit einer regelrechten Bande an Freunden, haben wir uns um sechs Uhr abends in einem winzigen und sehr lustigen Nachtclub, in der es Lesben gab, getroffen. Beim Verlassen des Clubs, schlug ich Romy vor, den Sonnenaufgang von der Bucht aus, in der das Boot lag, anzuschauen. Wir sind dann von dort weg, kaputt aber glücklich, sahen vor uns das glasklare Meer und waren bewaffnet mit einer Flasche eiskaltem Champagner. Als wir uns der Bucht näherten, fuhr ich immer langsamer. Ohne etwas zu sagen, sprang Romy sofort ins Meer.
Wie ich sie so im Wasser plantschen sah, sprang ich hinterher. Wir küssten uns. Danach waren wir unzertrennlich. Warum? Warum es nun nicht weiter in ein Hotel ging? Das bleibt ein Mysterium! Man muss nicht alles erklären können und das ist auch gut so. Es hatte sich nichts grundsätzlich verändert in unseren Leben, denn wir lebten ja quasi bereits zusammen. Sagen wir mal, wenn ich mir zwölf Stunden am Tag vorstelle, dann war ich in genau diesen zwölf Stunden bei ihr und wir haben die Zeit gemeinsam verbracht. Zur gleichen Zeit gab es da eine gewisse Nachlässigkeit, wobei es nicht in der Form war, als das uns alles egal gewesen wäre. Wir schauten uns an, was mit uns passierte, wie es weiter ging mit unserer Liebschaft. Schwerelos und ohne Zukunftspläne. Es war offensichtlich, dass sowohl Romy, als auch ich uns zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen konnten, dass dieser Kuss der Startschuss zu einer großen und schönen Liebesgeschichte sein würde.
Als Visconti ihr einen Film anbot, antwortete sie: „Ich kann nicht, ich bin schwanger!“
Eine kleine Sache stand uns jedoch noch bevor: „Wie sollten wir das David erklären?“
Er würde tausendundeine Frage stellen und wir würden nach Worten der Erklärung suchen,- bis er plötzlich morgens im Zimmer stand. Ich hörte ihn, aber wir taten so als würden wir schlafen. Er küsste uns beide rechts und links. Als wir zum Frühstücken gingen, war er schlicht und einfach glücklich. Für ihn war es sowieso offensichtlich. Na gut, für uns auch. Das darauffolgende Jahr, es wird sie nicht sonderlich überraschen, – waren wir immer noch zusammen. Als der Sommer gekommen war, entschieden wir ein paar Tage auf unserem Boot zu verbringen. Im Hafen angekommen, telefonierten wir gleich aus einer Telefonzelle mit David, um zu hören ob alles in Ordnung ist. Unser Kindermädchen warnte uns davor, dass Luchino Visconti Romy versucht dringend zu erreichen. Wir suchten seine Nummer und Romy wählte. Visconti wollte, dass Romy kommt, um mit Delon einen Film zu drehen. Gegenüber in der Kabine konnte ich sie sagen hören: „Ich kann nicht kommen! Ich bin schwanger!“
Ich fixierte sie mit meinen Augen und traute meinen Ohren nicht. Wie konnte sie es nur wagen, etwas derart intimes mit einem Freund zu besprechen? Mir sind die Felle davon geschwommen. Sie legte auf, lächelte und fiel mir in die Arme!
Quelle: Die französische Ausgabe der Zeitschrift Gala
Anne Schiff, 1981 in Wittlich geboren, machte nach dem Gymnasium eine Ausbildung
zur Hotelfachfrau. Einige Jahre arbeite sie in der gehobenen Hotellerie, bildete sie sich in
Fremdsprachen weiter und ging vorwiegend der Tätigkeit einer Übersetzerin nach. Seit 2008 freie Journalistin und Texterin mit Lebensmittelpunkt in München.